Dozenten können keine Gastbeiträge mehr

Sprachnotstand an der Uni: Werden an deutschen Unis keine Gastbeiträge mehr geübt? Die Erfahrungen unseres Autors lassen dies jedenfalls vermuten.

axtIm Dienstbetrieb gehört es zu den Aufgaben deutscher Deutschlehrer, Gastbeiträge von Professoren in konservativen Zeitungen* zu lesen, die zum allgemeinen Thema „Die Schule von heute leistet nichts mehr“ angefertigt wurden. Denn das gehört zum guten Ton unter deutschen Professoren deutscher Hochschulen: Dass sie nämlich von Zeit zu Zeit beklagen, die Studierenden von heute seien so unsäglich doof geworden. Sie könnten keine Grammatik mehr, sie wüssten Kommas nur noch mit dem Salzstreuer und nach dem Zufallsprinzip zu setzen, sie verfügten auch nicht über die kleinste Ahnung, wie ein Text logisch geradeaus und syntaktisch unfallfrei zu verfassen ist.
Das Problem ist nur, dass die Kritiker selber nicht immer schreiben können, zumal wenn sie gar keine Professoren, sondern nur Dozenten sind.
So versucht sich eine Politikwissenschaftlerin namens Hannah Bethke aus der hochberühmten Uni Greifswald an den Thema und scheitert grandios. Was sich dem Leser ihres Beitrags darbietet, ist eklatant.

Erstens extrapoliert sie von einer Greifswalder (!) Politik(!!)-Studentenschafts-Stichprobe auf das Gesamt der deutschen Abiturienten. Soviel Statistik sollten Politikwissenschaftler drauf haben, dass sie diese Hochrechnung wohlweislich unterlassen. Zukünftige Politikstudenten sind aus den Deutsch-Leistungskursen der Republik bestens bekannt. Dummschwätzer, die von nichts eine Ahnung haben, vor allem nicht von Rechtschreibung, und die eben deshalb Politik studieren. Und von denen landen dann natürlich die absurdesten Exemplare in Greifswald. So viel dazu.

Zweitens: Worüber beschwert sie sich eigentlich? Hier wird munter durcheinandergeschmissen, was sauber unterschieden gehört. Grammatik und Rechtschreibung sind zwei Paar Stiefel. Nicht jedoch für Frau Bethke. Da zitiert sie in paar besonders absurde Blüten, die einem sicher die Zornes- bzw. Schamesröte auf die Stirn zaubern können. Sie beweisen aber eher, dass die armen Politikstudenten in diesem engen Fahrplan des Bachelor-Studiums spät nachts noch letzte Hand an sinnfreie Hausaufgaben legen müssen, als dass die wackeren Kämpfer keine Ahnung von Grammatik haben. Da springt in mitternächtlicher Müdigkeit der Cursor aufgrund von unfreiwilligen Berührungen der Handfläche mit dem Touchpad erratisch herum und zerschießt die Konstruktionen, und die Zeit zum Korrekturlesen fehlt schlicht. Keine Ahnung von Grammatik und klarem Ausruck hat viel eher jemand, der bei vollem Bewusstsein Sätze verbockt wie den folgenden:

Hat es sich schon durchgesetzt, allen, die in der Schule nicht aufpassen oder sich durch anderes „abweichendes Verhalten“ vom „normalen“ Durchschnitt unterscheiden – ein Umstand, den jede liberale Gesellschaft eigentlich begrüßen sollte, anstatt jegliche Normabweichung sofort als pathologisch zu klassifizieren -, die Krankheit ADHS zuzuschreiben, gelten nun alle, die der deutschen Rechtschreibung nicht mächtig sind, als Legastheniker.

Schwör: Isch hab den Satz genauso abgetippt, wie er da steht!! Der Satz ist eine Angeberei. Den kann man nur mit dem Computer schreiben, indem man zwanzigmal hin- und herschaut, ob die Konstruktion nach dem Konditionalsatz ohne „wenn“, dem auf ein Indefinitpronomen bezogenen Relativsatz und der durch weitere Attributsätze und satzwertige Infinitive aufgeblähten Parenthese am Ende auch stimmt. (Seht ihr, kann ich auch!!) Vor sechzig Jahren erschien mal ein gutes Buch, das seither immer wieder aufgelegt wird und auf den Schreibtisch von Frau Bethke gehört: Die „Stilfibel“ von Ludwig Reiners. In kurzen, prägnanten Sätze, so soll man sich ausdrücken. Nicht mit nachklappenden zweiten Teilen von Satzklammern.

Drittens, und hier wird es vollends lustig: Der Artikel schließt mit einer wirren Methodenkritik an der Schule, mit einem großen Fass Kulturpessimismus und einem bizarren Lob des Frontalunterrichts, mit einem Zitat von Kant, der sich nicht wehren kann, mit Armutszeugnissen und ausbleibender Fehlerkontrolle und grassierender Lesefaulheit, mit inflationär guten Noten und einer düsteren Prognose, die sich auf die Zukunft bezieht und unserem Bildungssystem ein kurze vorhersagt. Ich nehme sämtliche Kritik zurück und behaupte das genaue Gegenteil, wenn Frau Bethke mir nachweist, dass sie einmal in einer Gesamtschule Rechtschreibunterricht gemacht hat. In einer siebten Klasse, in einer achten Stunde. So eine krude Gemengelage aus nicht verstandenen Sprechblasen kann ich jedoch nur verachten. Sie ist weniger als nichts wert. Sie nervt einfach nur.

Kommen wir zum Anfang zurück: Werden an deutschen Unis keine Nachhilfekurse im Gastbeiträge-Schreiben mehr angeboten? Man muss es vermuten, Frau Bethke hat jedenfalls keinen besucht. Und das ist traurig. Denn aus dem Tonfall und der selbstverliebten Ziseliertheit ihres Beitrags kann man extrapolieren – und das ist jetzt erlaubt -, wie sie ihre sonstigen Texte schreibt oder redet. Nicht so jedenfalls, dass die Ergebnisse als Vorbild für die Studenten dienen könnten. Und das ist doppelt traurig, denn wie der Herr, so’s Gescherr.
Es ist klar, warum Frau Bethkes Studis erbärmlich schreiben: An der Schule liegt’s nicht, so viel ist sicher.

* Hannah Bethke: „Studenten können keinen Rechtschreibung mehr“. Download von http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/sprachnotstand-an-der-uni-studenten-koennen-keine-rechtschreibung-mehr-12862242.html am 27.03.2014.

Ein Kommentar

  1. In der FAZ vom 5.12.2017 leistet sich Hannah Bethke eine Rezension über „Der Tiefe Riss“ Sembach/Garsoffsy, München 2017 die emotional aber nicht sachlich getrieben ist. Nur ein Beispiel: Wenn jemand etwas zählt bezahlt w hat er nach der gängigen Rechenregel dieses Geld weniger. Es muss damit für den der nichts zahlt nicht zur Änderung der Lebensumstände führen wie für das Beispiel des Geringverdienenden. Aber mehr Geld ist mehr und das kann nicht mit hergesuchten Beispielen wegdiskutiert werden. Folgt man den weiteren Kritikpunkten entsteht das klare Bild von einer Frau die von ihren persönlichen Entscheidungen getrieben ist aber nicht von sachlich Argumenten.

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